Rückenstärkung für den Premier

Prager Zeitung, 23.10.2008, rubrika: Meinung, strana: 4

Bundeskanzlerin Merkel freut sich auf Tschechiens EU-Ratspräsidentschaft

Man merkte es Frau Merkel nicht an, dass sie noch am Vormittag in Berlin eine harte Kabinettssitzung absolviert hatte, als sie im Prager Karolinum weitgehend frei ihren Vortrag zu aktuellen Themen hielt. In Europa-Fragen zeigte sie für die tschechischen Partner Verständnis und münzte deren euroskeptische Meinung in eine Erwartungshaltung um, was den EU-Ratsvorsitz Tschechiens betrifft. Bei so viel Umarmung, oder anders formuliert: Unterstützung, blieb Premier Mirek Topolánek nichts anders übrig als zu unterstreichen, sich für die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags persönlich einzusetzen. Auch wenn dieses Dokument ein „schwerer Kompromiss“ sei.

Topolánek ist Pragmatiker. Tschechien werde im ersten Halbjahr 2009 den EUVorsitz innehaben und als Vorsitz-Land könne es nicht mit Irland verhandeln, wenn es selbst den Vertrag nicht ratifiziert hat, so der Premier. Doch zugleich weiß er nur allzu gut, welch starkem Gegenwind er aus seiner Partei, der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) ausgesetzt ist.

Zumal seine Position durch die Wahlniederlage in den Kreiswahlen nicht die stabilste ist. Verlässt allerdings Topolánek die ODS-Führung, könnte sich ein in Europa-Fragen fundamentalistischer Flügel durchsetzen. Dessen Ziehvater ist Präsident Klaus, seine kontroversen Meinungen zu Europa sind hinlänglich bekannt.

Deshalb war es richtig, dass die Kanzlerin auch Václav Klaus auf der Prager Burg einen Besuch abstattete. Es war wohl der schwierigste Programmpunkt ihres kurzen Prag-Besuchs. Aber Frau Merkel verfügt über einschlägige Erfahrungen im Umgang mit Altpolitikern. Letztlich hat sie sich auch erfolgreich gegen die CDU-Granden in Deutschland durchsetzen können.